Francisca Obrecht über die Bündner Bio-Vision 2020: «Wir wollen das Genussmittel Wein nachhaltig produzieren»

13. November 2017

Francisca Obrecht, die mit ihrem Mann Christian das Weingut zur Sonne in Jenins GR führt, engagiert sich ehrenamtlich für das Projekt Bio-Vision 2020, das vom Branchenverband Graubünden Wein initiiert wurde. Was das im Bündner Weinbau verändern soll, verrät sie im Interview.


Frau Obrecht, seit wann bewirtschaften Sie zusammen mit Ihrem Mann das Weingut zur Sonne und war es von Anfang an ein Bio-Weingut?

Das Weingut zur Sonne war noch kein Bio-Betrieb, als wir es 2006 von den Eltern in fünfter Generation übernahmen. Kurz darauf verzichteten wir auf Kunstdünger, ein wenig später auf Herbizide. Letztlich merkten wir, dass der Schritt zur Bio-Bewirtschaftung sehr klein ist und begannen 2013 die Umstellung. Seit 2017 sind wir ein Demeter- und Knospe-Betrieb.


Wieso sind Sie von der biodynamischen Anbaumethode überzeugt?

Für den biodynamischen Anbau entschieden wir uns, weil er im Vergleich zum Bio-Anbau noch mehr auf die Beziehung zwischen Mensch und der Natur mit ihren Zyklen eingeht. Das ist im Weinbau sehr faszinierend.

Wie gross ist die Anbaufläche und welche Traubensorten bauen Sie an?

Unsere Reben wachsen auf einer Fläche von sieben Hektaren. Wir kultivieren ausschliesslich europäische Sorten: Drei Viertel davon sind Pinot Noir-Trauben, auf dem Rest der Fläche gedeihen Chardonnay-, Riesling-Silvaner- und Completer-Trauben.


Welche Ihrer Weine empfehlen Sie für einen Raclette-Plausch?

Vom aktuellen Sortiment empfehle ich den Chardonnay. Im nächstjährigen Sortiment haben wir erstmals einen Maische-vergorenen Riesling-Silvaner, der bestimmt wunderbar zu Raclette passen wird.

 

Welches Ziel steckt hinter der Bio-Vision 2020 von Graubünden Wein?

Unsere Bio-Vision formuliert das Ziel, dass bis 2020 sechzig Prozent der Bündner Rebberge biologisch bewirtschaftet werden sollen und achtzig Prozent der Rebfläche ohne Herbizide auskommt.
Dies ist ein sehr ehrgeiziges Ziel und das mit Absicht. Wenn wir davon sprechen, dass mehr als die Hälfte der Betriebe bis dahin auf Bio-Produktion umstellt, dann werden alle Bäuerinnen und Bauern automatisch in die Diskussion einbezogen. Jede und jeder soll sich mit der Frage auseinandersetzen: Könnte auch ich biologisch produzieren?


Wie realistisch ist dieses Ziel? Eignet sich die Bünder Herrschaft denn besonders gut für den Bio-Wein-Anbau?

Wir sehen das Potenzial für eine so grosse Bio-Wein-Fläche im Kanton Graubünden. Das Ziel von sechzig Prozent ist realistisch, der gewählte Zeithorizont hingegen stellt die Herausforderung dar.


Auf welches Echo stiess die Bio-Vision 2020 bei den Betroffenen?

In der Bünder Winzer-Szene entfachte sich eine breite und hitzige Diskussion. Dieses Feuer sowie fundierte Argumente sind nötig, um Dinge in Bewegung zu setzen. Nicht jedem Produzenten und jeder Produzentin ist es gegeben, biologisch zu arbeiten: Man muss beispielsweise auch mit Schäden und Verlusten umgehen können. Eine weitere Hürde ist die Zeitspanne der Umstellung, bis die Bio-Labels verwendet werden dürfen. Bei gewissen Produkten kann ich erst ab 2019 mit Label-Flaschen auf den Markt gehen. In den Diskussionen können Winzerinnen und Winzer abwägen, ob der Schritt für sie bewältigbar ist.


Haben sich bereits renommierte Bündner Weingüter dazu bekannt, dass sie auf Bio umstellen?

Schon seit 30 Jahren sind dies Louis Liesch, die Familien Clavadetscher und Boner in Malans. In jüngster Zeit sind weitere dazugekommen, wie z.B. Georg Fromm und Peter Wegelin aus Malans sowie Jan Luzi aus Jenins. 2017 sind weitere dazugekommen.
Bündner Weine sind bekannt für ihre gute Qualität, das Bio-Zertifikat ist ein Zusatzstatement: Bio ist ein Zeichen der Zeit und deswegen wollen wir das Genussmittel Wein nachhaltig produzieren.


Welche Schritte hat Graubünden Wein schon unternommen?

Es wurden bereits erste Kurse zum Bio-Rebbau organisiert, im Winter 2015 wurde der erste Bio-Rebbautag durchgeführt. Seit letztem Jahr wird im Sommer ein Praxistag angeboten, bei dem die Teilnehmenden biologische Arbeitstechniken kennen lernen. An der Herbstversammlung gehört seit 2016 die Besprechung eines Bio-Themas fest ins Programm. Weiterhin haben wir einen auf Weinbau spezialisierten Umstellungsleitfaden erstellt, der unter anderem Auskunft zu folgenden Fragen gibt: Wer zertifiziert? Was sind die wichtigsten Eckpunkte? Wie lange geht die Umstellung?


Was ist noch in Planung?

Bis im nächsten Frühling soll es in jeder Gemeinde eine Besichtigungsparzelle geben. Damit können sich Weinproduzentinnen und -produzenten ein Bild machen, wie biologisch bewirtschaftete Reben aussehen. So sollen noch bestehende Vorurteile gegen den Bio-Weinbau abgebaut und die Hürde für die Umstellung minimiert werden.



https://www.obrecht.ch
https://www.graubuendenwein.ch

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