Lancy – die erste Bio-Gemeinde der Schweiz

03. Juli 2019


Lancy, die Stadt der 30 Pärke, ist einwohnermässig die drittgrösste Gemeinde des Kantons Genf. Ihre freiwillig umgesetzte Politik wurde nach zweijähriger Umstellung im Januar 2019 mit der Knospe von Bio Suisse gekrönt. Dazu brauchte es Ideen und Erfindergeist.

Die Vegetation im Gemüsegarten ist üppig: Riesenkardys wachsen dem Himmel entgegen, gelbe Farbtupfer von Raukebüscheln leuchten überall, Kräuter verströmen ihren Duft, geschäftige Bienen gehen im Schau-Bienenstock ein und aus und fliegende Gäste steigen im 5-Stern-Insektenhotel ab. Ursprünglich sollte der Garten 80 m² gross werden, aber inzwischen nimmt er, mitten im Park Navazza-Oltramare, eine Fläche von mehr als 600 m² ein. Umgeben ist der Garten von blühenden Naturwiesen und dahinter liegt die Stadt. Lancy ist einwohnermässig die drittgrösste Gemeinde im Kanton Genf.


Bekannt ist sie eher für ihre Besiedlungsdichte – es gibt nicht einmal mehr Platz für einen einzigen Landwirtschaftsbetrieb – denn für ihre Grünflächen. Zu Unrecht. Lancy zählt nämlich rund 30 Pärke mit einer Grünfläche von insgesamt 554'945 m². Wiesenflächen erstrecken sich auf 84'657 m² und Rosen blühen auf 4861 m². Insgesamt wurden letztes Jahr 55'000 Pflanzen kultiviert. Auch wenn es hier keinen einzigen Landwirtschaftsbetrieb gibt, werden im Gemüsegarten 730 Kilo Gemüse geerntet, die mehrheitlich für die «Epicerie solidaire» von Lancy bestimmt sind.

Mehr als Biodiversität

«Last but not least» ist Lancy die erste Schweizer Gemeinde, die 100 Prozent Bio ist. Nach zweijähriger Umstellung hat sie im Januar 2019 die Knospe erhalten. «Mit unserem Ansatz wollen wir in erster Linie die Fauna und die Flora bewahren und die Lebensqualität von Bewohnern und Besuchern steigern», erläutert Damien Bonfanti, Leiter der Bereiche Umwelt und nachhaltige Entwicklung der Gemeinde Lancy. «Wir hatten schon länger im Sinn, die 550'000 m² Grünflächen auf Bio umzustellen, doch das ging nicht von einem Tag auf den anderen.»

Die Umstellung erfolgte etappenweise: Als Erstes legte die Gemeinde im Jahr 2016 den berühmten Gemüsegarten an; darauf folgte im selben Jahr das «Fête de l'abeille et du terroir» und danach wurde das Projekt «Faites du Jardin» lanciert. Damit wurde zu Aktivitäten in der Natur und zum Gärtnern aufgerufen.

«Es geht darum, unser Gemeingut aufzuwerten und die Einwohner der drittgrössten Genfer Gemeinde dafür zu sensibilisieren, es zu schützen und wertzuschätzen», erläutert Damien Bonfanti. Der globale Ansatz, der weit über die Förderung der Biodiversität hinausgeht, soll zu einem Umdenken bei der Bewirtschaftungs- und Unterhaltspraxis von Stadtgrün einladen. Die Gemeinde hat die Zusammensetzung ihrer Gartenerde angepasst, eine Kompostanlage eingerichtet und biologisches Saatgut aufgetrieben. Gedüngt wird mittlerweile mit organischen Düngemitteln und Schädlinge werden mit Nützlingen bekämpft.


Robuste Pflanzen, alte Sorten

«Eine Fläche von 55 ha auf Bio umzustellen ist kein Kinderspiel», unterstreicht der Geschäftsführer von Bio Genève Sacha Riondel, der den Umstellungsprozess begleitete: Es werden zwar weniger Mittel eingesetzt, dafür braucht es mehr Ideen und Erfindergeist. Lancy konnte sich während der Umstellungsphase, die 2017 begann und Anfang 2019 mit dem Erhalt der Knospe erfolgreich abgeschlossen wurde, auf die Expertise des Fibl und der Mitarbeiter des seit 2015 Knospe-zertifizierten Botanischen Gartens von Genf abstützen.

Die Umstellung erforderte insbesondere einschneidende Anpassungen bei den Blumen: «In den Grünanlagen von Lancy blühen bestimmt weniger Geranien und anfällige Rosen als früher», erklärt Sandrine Michaillat. «Wir bevorzugen robuste Pflanzen und alte Sorten, insbesondere bei den Rosen. Wir pflanzen pflegeextensive Blumen mit geringem Wasserbedarf und wählen geeignete Obstbaumsorten», doch die Verantwortliche für die Gemeindegrünflächen verspricht: «Die Blumenrabatten werden weiterhin zweimal im Jahr mit Wechselflor bepflanzt und mindestens ebenso schön sein wie bisher».


Positive Reaktionen

Was war das Schwierigste? Das manuelle Jäten, obschon die Stadt bereits lange vor der Umstellung auf Glyphosat verzichtete. Interessant ist auch, dass die Kosten für diese Grünflächen nicht höher ausfallen, obwohl sie bezüglich Wirkung und Ästhetik ebenbürtig sind.

«Es gab viel Skepsis zu überwinden, doch heute sind wir froh darüber, dass wir anderen Gemeinden oder Städten als Beispiel dienen, und hoffen, dass sie es uns gleichtun», betont Damien Bonfanti. Liebend gern erklärt er auch, dass es kein Unkraut gibt. Und wie hat die Bevölkerung reagiert? Grundsätzlich sehr positiv. Es kommt vor, dass der eine oder andere wegen der üppig spriessenden Naturwiesen «ein wenig verunsichert» ist und das Gefühl hat, die Gärtner seien zu faul zum Mähen. Da ist noch Aufklärungsarbeit nötig. Es muss erklärt werden, dass die Pflege einer Naturwiese nicht weniger arbeitsintensiv ist als die eines gepützelten Englischen Rasens.



Text: Véronique Zbinden
Fotos: Alain Grosclaude
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