«Wir Bauern wollen den Wandel und dafür brauchen wir die Konsumenten»

10. März 2020

Ab 2022 muss das Futter von Kühen und anderen Wiederkäuern zu 100 Prozent aus der Schweiz kommen. Warum das dem Klima hilft und welche Bedeutung diese Änderung für die Konsumentinnen hat, verrät Thomas Herwig im Interview mit David Herrmann.

Ab 2021 dürfen Knospe-Betriebe in der Schweiz ihren Wiederkäuern nur noch einheimisches Heu füttern und auch der Einsatz von Kraftfutter wird neu geregelt. Welche Auswirkungen hat das für die Käuferinnen und Käufer von Bio-Produkten?
Sie erhalten ein authentisches Lebensmittel, das auch wirklich von A-Z aus der Schweiz kommt und für das nicht Futter importiert werden muss.

In der öffentlichen Wahrnehmung herrscht das Bild der Kühe auf der Weide. Wissen denn die Konsumenten überhaupt, dass Futter importiert wird?

Nein. Woher auch? Aber ein Betrieb kann eben nur so viel Futter produzieren, wie sein Land hergibt. Mit der neuen Richtlinie von Bio Suisse muss sich der Bauer fragen, ob seine Kühe genügend Weide, Heu oder Silofutter haben, für die Milchmenge, die sie produzieren.

Welche Rolle spielt das Kraftfutter für die Milchleistung der Kühe?

Ab 8000-9000 kg Milch pro Jahr kann man die Tiere nicht ohne Kraftfutter halten. Dass wir bald nur noch 5 Prozent Kraftfutter geben dürfen, wird deshalb zu einer Herausforderung. Zum Beispiel auch für die Zucht. Die typischen schwarzweissen Holsteinerkühe setzen das Futter gut um in Milch. Auf meinem Betrieb züchte ich deshalb mit dieser Rasse und kreuze sie mit Original Brown und Swiss Fleck, deren Eigenschaften auch gut zu unserem Hof passen.

Wie viel und welches Futter braucht denn ein Betrieb pro Kuh?

Das ist wie bei einem Motor: Wenn man weiss, welche Leistung man will, kann man genau ausrechnen welches und wie viel Futter man dafür braucht. Mit dieser Richtlinie möchten wir erreichen, dass die Kühe möglichst oft auf die Weide gehen. Das hat verschiedene Vorteile: Für die Tiere, die Milch und auch das Klima...

…wie denn das?

In ihrem Buch "Die Kuh ist kein Klimakiller" zeigt Anita Idl eindrücklich: Gefressen oder geschnitten bindet 1 m2 Gras gleich viel CO2 wie ein 1 m2 Wald. 60-70 Prozent des Schweizer Landwirtschaftslands sind Weide. Unser Land ist also prädestiniert für die Weidehaltung! Klar: Die Kuh stösst auch Methan aus. Aber wenn man die Gegenrechnung macht, sieht man, dass die Kuh sogar zum Klimaschutz beiträgt. Auch, indem sie zum Futter geht und nicht umgekehrt.

Ich nehme an, das braucht auch viel Information und Weiterbildung für die Bio-Bäuerinnen und -Bauern, damit dieser Wandel gelingt.

Wir haben im Verband lange diskutiert über das Thema. Am Ende haben wir entschieden: Wir Bio Bauern wollen das, wir wollen eine unabhängige, nachhaltige Schweizer Bio-Milchproduktion. Aber wir Bauern können das nicht alleine, dafür brauchen wir auch die Konsumenten.

Welchen Preis muss der Konsument für diesen Wandel bereit sein zu bezahlen?

Es geht es um mehr, als nur um den Franken, den die Konsumentinnen für Nahrungsmittel ausgeben. Das ist eine gesellschaftliche Frage, mit der sich alle Akteure der Wertschöpfungskette auseinandersetzen müssen. Zum Beispiel auch Unternehmen die einen Teil ihres Know-Hows und ihrer Mittel für die Forschung zur Verfügung teilen. So kann diese neue Richtlinie einen Entwicklungsschub auslösen und neue Technologien hervorbringen, die dann wieder allen helfen.

Thomas Herwig ist Vorsitzender der Fachgruppe Milch. Er ist Teil der Hofgemeinschaft Rohrberg in Soyhières (JU).


David Herrmann

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