«Der Erfolg der Knospe gehört den Bäuerinnen und Bauern»

06. Mai 2020

Langfristig soll Bio zur Normalität gehören. Was Bio Suisse unternimmt, um dieses Ziel zu erreichen und warum der Erfolg zuerst den Bäuerinnen und Bauern gehört, erzählt Balz Strasser, Geschäftsführer von Bio Suisse, im Interview.

Herr Strasser, Sie schauen zurück auf das erste volle Jahr bei Bio Suisse unter Ihrer Leitung. Wie ist Ihr Fazit?
Durch und durch positiv. Bio wächst, das freut mich. Erstmals liegt der Marktanteil gesamtschweizerisch über 10 Prozent. Und dass die Westschweiz die Deutschschweiz erstmals überholt freut mich als Bieler ebenfalls. Bio-Lebensmittel erreichten im letzten Jahr einen Umsatz von 3,23 Milliarden Franken - das ist eine Steigerung um eine Milliarde in den letzten fünf Jahren. Die 7300 Bäuerinnen und Bauern in unserem Verband tragen diese Entwicklung. Sie setzen auf die Knospe. Allein im letzten Jahr haben 300 Betriebe die Vorteile der Knospe erkannt und sind umgestiegen.

Was hat sie 2019 überrascht?
Überrascht ist vielleicht das falsche Wort. Aber ich staune immer wieder über die Kraft, die in unserem Verband steckt. Da ist einerseits die Geschäftsstelle in Basel, wo unsere rund 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in enger Zusammenarbeit mit den Verbands-Gremien einen fantastischen Job machen. Und da sind andererseits unsere Mitglieder, Produzentinnen und Produzenten, die sich jeden Tag für die rundum nachhaltige Produktion von Lebensmitteln einsetzen. Die Knospe ist ihre Marke. Mit ihrer Arbeit und ihrem achtsamen Umgang mit den Werten, die damit verbunden sind, gehört dieser tolle Erfolg zuerst ihnen.

Wenn man in letzter Zeit durch die Läden geht und die Zeitungen durchblättert, hat man den Eindruck, Bio sei ein Selbstläufer. Die Konsumenten kaufen die Knospe sowieso.
Es stimmt, die Knospe geniesst ein grosses Vertrauen. Dafür sind wir auch sehr dankbar. Es ist schön zu sehen, wie weit wir seit unserer Gründung vor bald 40 Jahren gekommen sind. Dass aktuell viele Hofläden nicht mehr hinterherkommen mit liefern, ist eine Momentaufnahme im Zeichen von Corona. Wir dürfen nicht vergessen: Alle Bauern, die ihre Produkte normalerweise auf Wochenmärkten verkaufen, mussten kurzfristig neue Kanäle suchen.

Also glauben Sie nicht, dass die aktuelle Situation den Bio-Boom verstärken wird?
Das können wir heute noch nicht sagen. Wir sehen schon, dass Themen wie gesunde Ernährung und Nachhaltigkeit gerade jetzt an Bedeutung gewinnen. Das haben ja auch die Wahlen im letzten Herbst gezeigt. Wenn wir diesen Massstab anlegen, wird aber klar, dass es da noch grosse Lücken gibt zwischen dem Verhalten an der Wahlurne und im Laden.

Wie möchten Sie diese Lücke schliessen?
Die Bäuerinnen und Bauern sind bereit, sie verstehen sich als Teil der Lösung für ein Ernährungssystem, das die Gewässer schützt, das Tierwohl weiter erhöhtund die Biodiversität fördert. Aber sie können nur so viel produzieren, wie auch gekauft wird - schliesslich soll ihre Arbeit auch fair entlöhnt werden. Letztes Jahr kam es auf dem Markt für Bio-Milch, -Brotgetreide und -Schweinefleisch zu einem Überangebot und die Preise gerieten unter Druck. Es ist die Verantwortung von Bio Suisse, die Märkte im Gleichgewicht zu halten. Darum möchten wir den Absatz mit gezielten Massnahmen fördern.

Bio auf Befehl? Sie können den Konsumenten ja nicht vorschreiben, was sie kaufen sollen.
Das stimmt. Umfragen zeigen aber, dass Nachhaltigkeit für acht von zehn Menschen in der Schweiz eine eher grosse Bedeutung hat. Und trotzdem knackten wir die 10 Prozent-Hürde beim Marktanteil erst in diesem Jahr. Es muss also einen anderen Grund haben.

Die Preise? Ich höre manchmal, Bio sei ein Luxusprodukt.
Die Preise sind immer wieder ein Thema. Wie so oft gibt es auch hier zwei Seiten. Hier die Produzentinnen, die eine faire Entlöhnung ihrer Arbeit möchten und dort die Konsumenten, die gute, bezahlbare Lebensmittel suchen. Aus unserer Sicht sind nicht die Preise der Hemmschuh der Entwicklung von Bio. Lassen Sie mich das kurz ausführen. 57 Prozent der Konsumentinnen und Konsumenten kaufen mehrmals wöchentlich oder sogar täglich Bio. Das ist super! Und dann fahren sie am Morgen mit dem Zug zur Arbeit und kaufen sich für unterwegs noch ein Gipfeli. Zu Mittag essen sie in der Kantine und am Abend gönnen sie sich am Kiosk ein Säckli Chips. Im Take-Away Bereich, der Gemeinschaftsverpflegung und auch an Kiosks ist Bio sozusagen nicht erhältlich. Hier sehen wir grosses Potential.

Balz Strasser ist seit November 2018 Geschäftsführer von Bio Suisse. Er ist 45 Jahre alt und lebt mit seiner Familie in Evilard (BE).

Interview: David Herrmann, Bild: Marion Nitsch

 

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