Bio-Bauer Hans Braun hat als Viehzüchter einen anderen Weg
eingeschlagen, als von ihm erwartet wurde und einen eigentlichen Modell-Betrieb
geschaffen.
Kühe können etwas, was wir Menschen nicht können: Sich
ausschliesslich von Gras ernähren, respektive dessen Hauptbestandteil, die
Zellulose, verdauen. Das macht Kühe auch aus Sicht der Umwelt interessant,
obwohl sie wegen ihres Methanausstosses in der Kritik stehen. Denn erstens können
sie so aus Flächen, auf denen kein Ackerbau möglich ist, Lebensmittel für
Menschen produzieren. Zweitens können diese Weideflächen den tierischen Methanausstoss
bezüglich Klimawirkung teilweise kompensieren, weil die Wurzelmasse des Grases
Kohlenstoff im Boden bindet.
Bio-Knospe-Milch: Das sind Unterschiede
Milch mit der Bio-Knospe stammt ausschliesslich aus Schweizer Bio-Betrieben, welche die Richtlinien von Bio Suisse einhalten. Dazu gehört unter anderem die Haltung der Tiere auf der Weide von Frühling bis Herbst an mindestens 26 Tagen pro Monat. Zudem ist der Einsatz von Antibiotika sehr stark eingeschränkt. Ab 2022 dürfen die Bio-Knospe-Milchbauern höchstens noch 5 % Getreide zufüttern (bisher 10%) und kein Biofutter mehr aus dem Ausland importieren. Für den Milchproduzenten haben diese Vorgaben in der Regel ökonomische Nachteile zur Folge etwa eine tiefere Milchmenge pro Stall oder Landfläche. Entsprechend brauchen die Bauern einen im Vergleich zur konventionellen Milch höheren Preis für ihre Produkte.
Tierfutter statt Brot und Bier
Eine Kuh, die umwelt- und artgerecht ihre Milch nur aus Gras
produziert. – Leider entspricht dieses Idealbild meist nicht der Realität. Mehr
als die Hälfte des Futtergetreides in der Schweiz wird von Milchkühen und Mastrindern
gefressen. Dabei könnten Gerste, Mais und Soja viel effizienter zur
menschlichen Ernährung dienen, etwa in Form von Brot, Malz, Tofu oder Bier und
Whisky. Dass Rinder so viel Getreide fressen, war nicht immer so. Im Gegenteil:
noch in den 1930er-Jahren waren die Kraftfuttergaben pro Tier staatlich stark
begrenzt und wenn eine Kuh über 20 Liter Milch pro Tag gab, wurde das als sehr
hoch betrachtet. Aber in 1960er-Jahre begannen Schweizer Bauern ihre Herden mit
den Rassen Holstein und Brown-Swiss aus Übersee einzukreuzen. Sie sollten die
Milchleistung ihrer Tiere verbessern. Zumindest in diesem Aspekt waren sie
erfolgreich. Längst schon haben viele Schweizer Milchkühe das nordamerikanische
Niveau erreicht und geben pro Tag 50 Kilo Milch und mehr. Aber eine solche
Leistung lässt sich nur mit viel Getreide und Soja erfüttern, entsprechend hat
sich der Kraftfuttereinsatz pro Kuh seit 1990 mehr als verdoppelt.

«So kann es nicht weitergehen»
«Als ich 1995 den Bauernhof vom Vater übernommen hatte, war
diese Entwicklung voll im Gang. Mir war schnell klar, dass es so nicht
weitergehen konnte», sagt Hans Braun, Biobauer aus Rothrist AG. Sein Vater,
Hans Braun Senior, war ein bekannter Milchviehzüchter und Richter an nationalen
Viehschauen – ein Amt, das bei den Bauern mit höchstem Sozialprestige verbunden
ist. Von ihm hatte der Junior die Leidenschaft für die Viehzucht geerbt. Wie so
mancher Bauer, der insgeheim oder offen vom ersten Platz an einer bedeutenden
Viehschau träumt und sich dieses Ziel viel Lebensenergie und Geld kosten lässt.
Aber sein Vater kehrte damals ganz niedergeschlagen von einer Züchterreise aus Nordamerika
zurück und berichtete besorgt vom hohen Antibiotika-Einsatz, der in den
dortigen Ställen wegen der unglaublich hohen Milchleistungen notwendig sei. Und
das sollte das Ziel der Schweizer Milchviehzucht sein? Trotz weiteren
Schauerfolgen im ersten Jahr als Betriebsleiter entschloss sich Hans Braun seinen
Betrieb und die Viehzucht ganz umzukrempeln.
Viele Hürden überwunden
Bereits nach einem Jahr stellte er den Lehenhof – so heisst das
Gut, auf dem schon sein Grossvater Pächter war, – auf Bio um und begann mit
seiner Herde Kühe zu züchten, die mit ausschliesslicher Grasfütterung
zurechtkommen und möglichst ohne Medikamenteneinsatz ein langes und produktives
Leben führen. Um diesen Weg einzuschlagen, musste er zuerst einige Hürden in
seinem Kopf und später viele weitere in seinem Umfeld überwinden. Was absehbar
war, trat ein: Sein Vater musste sich den Tadel und Spott seiner
Züchterkollegen anhören und Hans Braun beschied man, er würde seine Zeit besser
für etwas anderes verwenden, als er im Jahr 1997 die führenden
Viehzuchtorganisationen anfragte, ob sie eine neue Rasse unterstützen würden.
Hans Braun strebte eine Milchviehrasse an, die zwar produktiv, aber nicht auf
Höchstleistung ausgerichtet war.
Eine neue Kuhrasse gezüchtet
Heute steht der 58-jährige Bio-Landwirt zufrieden auf der
Weide zwischen seinen 54 Milchkühen. Sie gehören zur Rasse Swiss-Fleckvieh, die
seit sechs Jahren offiziell anerkannt ist. Hans Braun hatte sie 1997 mit
Züchterkollegen trotz abschlägigem Bescheid der Verbände gegründet. Seit fünfzehn
Jahren betreibt Hans Braun zudem eine antibiotikafreie Milchproduktion und
füttert inzwischen auch kein Gramm Kraftfutter mehr. Was sie brauchen, reissen
sich die Kühe in unzähligen kleinen Bissen von der kurzrasigen Weide oder
finden es im Winter in Form von Grassilage und Heu in der Futterkrippe des
Freilaufstalls.
Von der Hunger-Zelg…
Hans Braun zeigt auf seine Weiden, die zwischen der Aare und
dem Rothrister Industrie-Areal liegen: «In früheren Zeiten nannte man dieses
Gebiet Hunger-Zelg.» Der Berner Landvogt habe hier jeweils den kleinsten aller
Zehnten eingenommen. Der Boden sei steinig und oft trocken, auch darum habe er bald
nach der Betriebsübernahme im Jahr 1995 mit dem Ackerbau aufgehört und nur noch
auf die Weide gesetzt. «Auch der Landvogt wollte von der nahen Festung Aarburg
aus die Produktivität seiner Landgüter verbessern. Dazu liess er ein komplexes
Bewässerungssystem aus Kanälen und Wässermatten bauen. Doch die hohen
Investitionen trieben den Vogt in den wirtschaftlichen Ruin», erzählt Hans
Braun. Er selbst bewies nun eine glücklichere Hand. Seine Milchwirtschaft ist
nicht etwa extensiv, wie man das anhand der vielen Hecken, idyllischen
Hochstammanlagen und leuchtenden Magerwiesen, welche die Kuhweiden auflockern,
denken könnte. Nein, auf der ehemaligen Hunger-Zelg steht heute ein Betrieb,
der im europäischen Vergleich in der Spitze steht: 12'500 kg Milch pro Hektar
Grundfutterfläche attestierte ihm kürzlich eine internationale Studie.
…zum Vorzeigebetrieb
Zu verdanken hat er das dem vorbildlich geführten System der
so genannten Kurzrasenweide und der konsequenten Selektion der langlebigsten
und produktivsten Kühe, die mit der reinen Grasfütterung am besten
zurechtkommen. Damit konnte er auch die Gesundheitskosten seiner Herde massiv
reduzieren. «Zuerst habe ich die Antibiotika durch Homöopathie ersetzt und
inzwischen brauche ich auch die kaum noch. Und alles nur, weil ich dem Standort
angepasste Tiere züchte», erklärt Hans Braun stolz. Das zahle sich nebst allem
auch finanziell aus. Aus seinem wettergegerbtem Gesicht leuchtet der
Züchterstolz.
Autor und Fotos: Stephan Jaun. Der Artikel wurde in der Zeitschrift Oliv publiziert.