Im Sommer 2021 kommen zwei Initiativen
zur Abstimmung, die für die Landwirtschaft grosse Bedeutung haben. Entsprechend
laut ist der Abstimmungskampf rund um die Pestizidverbot- und
Trinkwasserinitiative schon heute. Die Haltung von Bio Suisse wurde mit
Spannung erwartet, denn der Verband nimmt eine Vorreiterrolle in Punkto Nachhaltigkeit
und Schutz von Ressourcen ein.
Die Trinkwasser-Initiative
Trinkwasser ist ein kostbares Gut. Sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrungsmittel sollen in der Verfassung verankert werden. «Für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung – Keine Subventionen für den Pestizid- und den prophylaktischen Antibiotika-Einsatz» Die Initiative fordert, dass die Subventionen an die Landwirtschaft nur für Bewirtschaftungsweisen ausgerichtet werden, welche die Gesundheit und die Umwelt nicht gefährden und das Trinkwasser nicht verschmutzen. Die Initiative benennt das Problem der offenen Kreisläufe durch Kraftfutter-Importe. Somit dürften Bauernbetriebe nur noch so viele Tiere halten, wie ohne Futtermittel-Importe ernährt werden können.
Die Pestizid-Initiative
«Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide» will den Einsatz synthetischer Pestizide landesweit verbieten. Das Verbot soll in der landwirtschaftlichen Produktion, in der Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse und in der Boden- und Landschaftspflege gelten. Auch alle importierten Produkte unterliegen diesen Kriterien. In der Schweiz gäbe es somit nur noch pestizidfrei hergestellte Produkte zu kaufen. Das Pestizid-Verbot betrifft nicht nur die konventionelle, sondern auch die biologische Landwirtschaft. Auch dort werden zum Schutz der Kulturen teilweise Bio-Pestizide eingesetzt, die synthetisch hergestellt werden, das gilt vor allem für die synthetisierten Kupferprodukte.
Weitere Informationen: www.bio-suisse-themen.ch
An der gestrigen Delegiertenversammlung wurde die Ja-Parole zur Initiative für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide gefasst. Die Parolenfassung zur Trinkwasserinitiative erfolgt im nächsten Frühling. Bio Suisse-Präsident Urs Brändli nimmt Stellung.
Urs Brändli, was ist die Haltung von Bio Suisse
zur Trinkwasser- und Pestizid-Initiative?
Für uns ist es wichtig, die beiden Initiativen
differenziert zu betrachten: Wir befürworten die
Pestizid-Initiative und sind klar «für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide».
Die Initiative steht in direkter Verbindung mit unseren Grundwerten. Da auch
importierte Produkte diesen Anforderungen entsprechen müssen, sehen wir eine
ganzheitliche Herangehensweise, eine geteilte Verantwortung: Nicht nur Schweizer
Landwirte, sondern das gesamte System trägt dazu bei. Bio Suisse fördert eine «Schweiz
sans pesticides», dafür werden wir uns stark machen.
Bei der Trinkwasser-Initiative ist die Sache kniffliger. Die Delegiertenversammlung konnte sich deshalb auch noch nicht auf eine Parole einigen. Grundsätzlich teilen wir die Anliegen der Initiative in weiten Teilen. Wir alle wollen eine nachhaltige Landwirtschaft und Ernährung. Gleichzeitig hat die Initiative auch Mängel in ihrer Formulierung. Die Umsetzung würde in der landwirtschaftlichen Praxis das Aus für viele Bio-Betriebe bedeuten: Es dürften nur noch so viele Tiere gehalten werden, wie eigene Futtermittel zur Verfügung stehen. Das ist vor allem für kleinere Betriebe mit innerer Aufstockung wie Schweinehaltung oder Legehennen ein Problem. Dass wir jetzt erst in einem halben Jahr die Parole fassen, gibt uns Zeit, diese Zielkonflikte zu lösen.
Wie läuft eigentlich der Meinungsbildungsprozess bei Bio Suisse?
Der
Vorstand trifft sich dreimal jährlich mit den Präsidentinnen und Präsidenten
der Bio Suisse Mitgliedorganisationen und Kommissionen. An diesen Konferenzen
werden die zwei Delegiertenversammlungen vorbereitet und strategische
Stossrichtungen diskutiert. Die
offizielle Haltung von Bio Suisse wird aufgrund einer Mehrheitsentscheidung bei
der Delegiertenversammlung getroffen. Das Ergebnis dieser Abstimmung gilt für
den Verband. In diesem Fall setzen wir ein deutliches Zeichen mit einem Ja von 64 Stimmen für die
Pestizid-Initiative.
Bio Suisse
hat sich für einen Gegenvorschlag zur Trinkwasser-Initiative stark gemacht,
wieso kam dieser nicht zustande?
Wir haben die
Initianten schon vor Beginn der Unterschriftensammlung auf die Mängel der
Trinkwasser-Initiative hingewiesen. Dann haben wir auf politischer Ebene intensive
Gespräche geführt und uns für einen Gegenvorschlag stark gemacht. Das Parlament,
damals in bürgerlicher Zusammensetzung, hätte mit einem ambitionierten Gegenvorschlag
einen gangbaren Weg aufzeigen können. Leider ist dies nicht gelungen.
Bio Suisse
kritisiert bei der Trinkwasser-Initiative unter anderem die «Fokussierung
auf die Landwirte als alleinige Problemverursacher». Wie können denn Konsumentinnen
und Konsumenten innerhalb der Wertschöpfungskette Verantwortung übernehmen?
Wir alle haben als Konsumenten eine
tragende Rolle: Jeder Einkauf ist ein Stimmzettel, bzw. eine Bestellung. Was
wir täglich konsumieren, einkaufen und wofür wir unser Geld ausgeben, bestimmt
auch, was produziert wird. Bewusster Konsum bedeutet, zu wissen, welche
Industrie und Produktionsmethoden man mit seinem Einkauf unterstützt. Das gilt
bei Lebensmitteln ebenso wie bei Kleidung, Mobilität, etc. Wenn Konsumenten
hauptsächlich günstig einkaufen wollen, geschieht dies in der Regel auf Kosten
von anderen. (z.B. Einbussen beim Tierwohl, schlechte Umweltaspekte, mangelnde
soziale Verantwortung). Beim Einkauf kann man bereits Wert legen auf möglichst
umweltverträgliche Produkte, die fair und schonend hergestellt sind. Allenfalls
bedeutet dies ein Verzicht oder eine Mässigung bei gewissen Produkten zu
Gunsten von anderen. Gerade im Bereich Lebensmittel gibt es viele Möglichkeiten
bewusster und verantwortungsvoller einzukaufen – die Bio Knospe bietet hierfür eine
Orientierungshilfe.
Und welche
Rolle haben Politik und Verwaltung?
Die öffentliche Hand muss die Verbreitung von umweltverträglichen
Produkten unbedingt stärker fördern. Heute sind biologische Produkte lange nicht
überall erhältlich, gerade in der Gastronomie und Gemeinschaftsgastronomie gibt
es viele Lücken (sprich: kaum Bio-Speisen in Spitälern, Kantinen, Schulmensen).
Auch müsste die Preisgestaltung anders aussehen – warum werden umweltbelastende
Hilfsstoffe immer noch mit reduzierten Mehrwertsteuern verkauft? Und Folgekosten
oder Schäden die ein Produkt verursacht, sollten im Sinne von Kostenwahrheit im
Preis einkalkuliert werden. Heute ist leider das Gegenteil der Fall: Je
günstiger ein Produkt ist, desto höher sind in der Regel die Mehrkosten für die
Gesellschaft.
Eine
rigorose Umstellung auf biologische Landwirtschaft – mit der Trinkwasser- und
Pestizid Initiative würde es rasant in diese Richtung gehen. Ist dies nicht ein
erstrebenswertes Ziel?
Das stimmt, aber wir dürfen die
Realität am Markt nicht ignorieren. Nur
ein kleiner Teil der Konsumenten setzt heute konsequent auf Bio-Lebensmittel. Wir
würden uns über ein Bio-Land Schweiz freuen. Aber wenn der Konsum nicht mitzieht und statt
Schweizer Bio dann günstige Import-Produkte gekauft werden, passiert eher das Gegenteil. Zudem würden die Bio-Preise enorm unter Druck
geraten, und damit die Existenz vieler Biobetriebe gefährden. Bei «Schweiz ohne
Pestizide ist die Gefahr für die (Bio-) Bauern klein, da auch alle gewerblichen
Importe die gleichen Anforderungen erfüllen müssen.
Wie sehen
Sie die Haltung der Agrarlobby, die sowohl die Pestizid- also auch die
Trinkwasser-Initiative ablehnt?
Zum einen zeigen die Bauern-Unternehmer
Felder, die keine Pflege erhalten und so kaum Ertrag bringen. Das hat absolut
nichts mit Bio zu tun. Denn jeder Bio-Bauer pflegt und schützt seine Kulturen,
einfach mit anderen Methoden. Auch werden die negativen Auswirkungen von
zugelassenen Pestiziden verharmlost. Es
stimmt nicht, dass biologisch bewirtschaftete Felder kaum Ertrag bringen, im
Gegenteil. Bio-Bauern beschäftigen sich intensiv mit der Gesunderhaltung der
Böden, fördern die Biodiversität, arbeiten mit Fruchtfolgen, setzen auf
Nützlinge, sie bekämpfen Pilze mit Gesteinsmehl und sind äusserst innovativ. In
den letzten Jahren machte der Biolandbau enorme Fortschritte, und die Erträge konnten
dank Unterstützung der Bio-Forschung und der Bio-Züchtung laufend gesteigert
werden. Der heutige Einsatz von synthetischen Pestiziden führt zu Rückständen
in Gewässern, Umwelt, und selbst auf Lebensmitteln. Damit verbunden nimmt der
Rückgang der Biodiversität bedrohliche Ausmasse an, das Insektensterben ist eine
Tatsache! Es dauert immer sehr lange, bis vermeintlich «harmlose Mittel» aus
dem Verkehr gezogen werden – wir sprechen hier von einem Zeithorizont von 25
Jahren und mehr. Dann ist der Schaden jedoch bereits verursacht und die nächste
Generation muss dies ausbaden.
Die biologische Landwirtschaft ist beweist, dass eine schonende Bewirtschaftung keine finanzielle Ertragseinbusse bedeutet. Bio lohnt sich für mich als Landwirt doppelt. Ich erziele mehr Wertschöpfung und erhalte gleichzeitig mehr Wertschätzung. Unsere Bio-Bäuerinnen und Bio-Bauern haben viel Wissen, sie pflegen die Böden, fördern die Biodiversität und dies bei einem gleichzeitig guten Ertrag. Die Schweiz hat heute einen Netto-Eigenversorgungsgrad von rund 50% und wir könnten in Punkto nachhaltige Landwirtschaft und Ernährung weltweit eine Vorreiterrolle einnehmen. Das dazu nötige Forschungs-Know-How, das Wissen und die Erfahrungen sind vorhanden. Wünschen tue ich mir eine rücksichtsvolle und schonende Produktion und einen nachhaltigen Konsum der Bevölkerung. Machen wir uns gemeinsam auf diesen enkelwürdigen Weg!
Maya Frommelt im Gespräch mit Urs Brändli, Präsident Bio Suisse
Vielen Dank für den schönen Artikel. Es freut mich sehr zu lesen, wie eine pestizidfreie Schweiz aussehen könnte, das müsste dann aber auch für die Gärtnereien und die Gemeindeflächen gelten. Ich unterstütze seit Jahren CH Bio, Knospe, Demeter, Mutterkuhhaltung, kag-freiland, Prospecierara. In meiner Familie tun sie es mir gleich oder pflanzen zum Teil auch selber an.
AntwortenLöschenDas Problem scheint mir va. bei den vielen Ausländern zu sein, welche nur auf den Preis schauen oder sogar nach D oder A fahren, um noch günstiger einkaufen zu können. Immer mehr Gemeinden bürgern täglich hunderte von Einwanderern aus der ganzen Welt ein, welche weder unsere Muttersprache lesen können, noch ein Interesse an Nachhaltigkeit haben. Sie werden auch nicht entsprechend informiert oder geschult, das könnte man mit dem Sprachunterricht verbinden den sie geniessen dürfen, doch scheint hier der Fokus ein anderer zu sein...
Wenn alle Schweizer Bio kaufen würden, wie Sie suggerieren, müsste der Bio-Marktanteil massiv höher sein. Ich kenne genügend "Bio-Schweizer", die nicht Bio kaufen. Insofern dürfte eine Sündenbock-Diskussion bei diesem Thema nicht zielführend sein. Wenn die Pestizid-Iniative angenommen und umgesetzt ist, kann man ja dann noch über die Eindämmung des Einkaufstourismus diskutieren.
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